War der Windows 10-Release im Juli ein Fehler?

Dieser Beitrag wurde vor mehr als 8 Jahren veröffentlicht. Daher kann es sein, dass sein Inhalt oder ein Teil davon nicht mehr aktuell ist.

Seit dem Release von Windows 10 sind fast zwei Monate vergangen – meiner Meinung nach genug Zeit, um sich eine endgültige Meinung bilden zu können. Gerade, wenn man, wie ich, das System tagtäglich auf drei Geräten (Handy, Tablet und PC) verwendet, sollte man genug Erfahrungen gesammelt haben und „berechtigt“ sein, sich dazu zu äußern. Gut, Windows 10 Mobile ist (Gott sei Dank) noch nicht veröffentlicht worden, doch Build 10240 – der RTM-Build – steht seit dem 29. Juli für PCs und Tablets zur Verfügung und ist bereits auf einer Vielzahl von Geräten weltweit installiert. Und das ist, wie ich finde, nicht gut. Noch nicht.

Ich bin kein Microsoft-Gegner. Im Gegenteil, mit meinem Windows-Notebook, Surface RT, Windows-Tablet, meiner Xbox 360 und dem sechsten Windows Phone in Folge falle ich sogar in die Kategorie der Microsoft-Poweruser. Ich bin auch kein Prinziphater. Wenn ich etwas „schlechtrede“, kann man schon davon ausgehen, dass ich auch ausreichend darüber informiert bin, ansonsten kann und sollte ich mir eben kein Urteil darüber erlauben.

Und ich denke, der frühe Release von Windows 10 war ein Fehler. Wieso? Weil es unfertig ist. Wieso? Unter anderem aus folgenden Gründen (meine persönlichen Erfahrungen):

  • Auf meinem Tablet (wir reden hier übrigens von einem HP Stream 7 mit Windows 10 Pro x86) kann ich regelmäßig keine neuen Kacheln vom Homescreen entfernen bzw. neue hinzufügen. Nach einem Neustart, der dieses Problem meist behebt, sieht dieser dann aus wie nach einer Explosion – Kacheln sind entweder komplett verschwunden oder an Stellen, an denen sie nicht sein sollten.
  • Weiterhin verschwinden Apps einfach aus der App-Liste. Versuche ich, Apps zu deinstallieren, bleiben die Einträge oft erhalten, obwohl die App nicht mehr existiert. Gleiches gilt für die Kacheln. Ein Klick auf die entsprechenden Rückstände macht dann entweder nichts oder sorgt für einen Crash des „Windows Shell Experience Hosts“, also dem Dienst, der für die diversen Flyouts wie dem Startmenü und dem Action Center zuständig ist.
  • Die Skalierung ist ebenfalls fehlerhaft. Im Hochformat haben App-Elemente die richtige Größe, aber sobald ich das Tablet drehe und im Querformat nutze, sind sämtliche Elemente viel zu klein. Drehe ich es dann erneut, werden sie im Hochformat erneut kleiner – und bleiben dann auch so. Dann hilft nur noch ein Neustart der App.
  • Auf dem PC (ein älterer Acer Aspire mit u.a. Core i5 Ivy Bridge und 8GB RAM, hier ist Windows 10 Pro x64 installiert) verschwinden Icons aus der Taskleiste. Entweder fehlen nur die Icons und sie werden nach etwa 10 Sekunden wieder geladen oder die kompletten Verknüpfungen sind weg und ich muss sie neu andocken.
  • Jumplists funktionieren oft nicht zuverlässig. Ein Klick auf einen Eintrag bewirkt in etwa 2 von 5 Fällen nichts, egal, wie oft ich es versuche.
  • Befand sich der Laptop vorher im Standbymodus, öffnen sich nach dem Einschalten Cortana und das Startmenü häufig nicht, der Rest funktioniert aber. Es hilft dann nur ein Neustart des Systems. Ich kann hier allerdings einen Fehler seitens Acer nicht ausschließen.
  • Meine Internetverbindung wird immer wieder als öffentlich eingestuft, obwohl es sich ganz klar um ein privates Netzwerk handelt und ich Windows das auch schon mehrmals mitgeteilt habe. Hyper-V und die ohnehin nicht genutzte Ethernet-Verbindung sind neuerdings deaktiviert, aber trotzdem tritt der Fehler noch auf. Das größte Problem an dieser Sache ist, dass Apps daraufhin keinen Internetzugriff mehr erhalten – Edge wird als Webbrowser somit unbenutzbar, genau wie Twitter, Tweetium und andere Apps, die zwingend einen Internetzugang benötigen.
  • Das Startmenü, welches blau gefärbt und transparent sein sollte, hat häufig entweder keinen Blur-Effekt oder keine Farbe – oder beides. Killt man den Windows Shell Experience Host Task, geht’s wieder, die feine englische ist das allerdings auch nicht. Und ob auch der Durchschnittsnutzer diese Methode kennt, ist fragwürdig.
  • Auf beiden Geräten ist der Store eine Katastrophe. Inhalte brauchen viel zu lange zum Laden, Downloads funktionieren sehr oft nicht oder die Apps werden hinterher nicht im Startmenü aufgelistet. „Da hat etwas nicht geklappt.“ ist dann die Antwort darauf. Außerdem sieht man immer wieder Apps ohne Icon und Namen, die plötzlich ein Update erhalten – irgendwas wird’s schon sein, ich wüsste aber gerne, WAS da gerade aktualisiert wird. Wenn ich durch App-Kategorien navigiere, wird mir außerdem häufig angezeigt, dass es keine Apps in dieser Kategorie gibt. Das stimmt so natürlich nicht, entsprechende Apps sind vorhanden, es steht aber erst mal dort. Der Ottonormalverbraucher wird die Sache mit dem App-Problem dann also erst recht glauben. Hier hilft übrigens nichts – wer das liest, hat Pech. Zumindest ist das bei mir der Fall.
  • Der Sperrbildschirm skaliert auf Tablet und PC ebenfalls fehlerhaft, dort ist die Skalierung allerdings zufällig. Mal sind’s 100%, mal 125%. Ein Muster lässt sich da nicht erkennen. Apropos Sperrbildschirm – der ist zumindest auf dem Tablet auch nicht ganz auf der Höhe. Oft vergehen einige Sekunden, bis er überhaupt reagiert und auch danach vergehen erneut etwa 5 Sekunden, bevor das Tablet benutzt werden kann. Das erinnert ein wenig an die Lockscreen-Verzögerung unter Windows 10 Mobile Build 10512, allerdings handelt es sich hierbei um „finale“ Software und nicht mehr um eine Preview.
Der Startscreen auf dem Tablet - vor und nach dem Bug. Da sich auf dem Tablet momentan eine Insider-Preview befindet, wurde das Szenario möglichst realistisch nachgestellt.

Der Startscreen auf dem Tablet – vor und nach dem Bug. Da sich auf dem Tablet momentan die aktuelle Insider-Preview (Build 10547) befindet (und dort der Fehler behoben scheint), wurde das Szenario möglichst realistisch nachgestellt.

Auf beiden Geräten waren vorher Insider Previews installiert – auf dem Laptop war ich seit Build 9879, auf dem Tablet seit 10130 dabei. Beide Geräte wurden beim Release aber vollständig zurückgesetzt, sodass ich Windows 10 neu installieren konnte, ohne die Altlasten der Preview-Builds haben zu müssen. Und trotzdem denke ich immer wieder, dass es sich dabei immer noch um unfertige Software handelt. Man könnte jetzt meinen, dass das ja alles nicht schlimm sei, da Windows 10 im Rahmen der neuen „Windows as a service“-Strategie permanent weiterentwickelt wird und gewissermaßen mag das auch richtig sein, das interessiert den durchschnittlichen Nutzer allerdings nicht. Was bringt einem die Hoffnung, dass irgendwann alles besser wird, wenn momentan vieles fehlerhaft funktioniert?

Windows 10 ist unfertig, das merkt jeder. Zudem ist es für viele Fehlerhaft. Kaputt. Instabil. Das merken viele, die mit dem System mehr machen als den Browser anzuschmeißen und zu surfen und sich eben intensiver damit beschäftigen. Ich möchte allerdings auch nicht behaupten, dass nun wirklich jeder von diesen Problemen betroffen ist – keinesfalls. Einige trifft es schlimmer, andere hingegen weniger oder gar nicht. Das ist ganz normal. Jeder weiß allerdings von den Problemen und kann sie nicht leugnen, solange diese Person nicht zu den Hardcore-Fanboys gehört. Ich frage mich deswegen immer wieder, ob der Release am 29.07. vielleicht ein Fehler war. Was wäre, wenn Microsoft noch 2-3 Monate gewartet hätte?

Die neuesten Insider-Builds beheben ja immerhin viele Bugs, wenn auch noch nicht alle. Okay, es hätte schlechte PR gegeben, aber die gab es so auch, man denke nur einmal an die unzähligen Horror-Storys von Chip und Heise. Aber Microsoft hätte dann definitiv das „Back to school“-Programm in den USA verpasst. Hätten sie sich das erlauben können? Wäre „Microsoft verschiebt Release“-Presse wirklich schlimmer als „Windows 10 ist voller Bugs“-Presse gewesen? Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Aber ich weiß, wie ich reagiert hätte. Aber ob man nun einen kleinen, unbedeutenden Entwickler mit einem milliardenschweren Unternehmen vergleichen kann – ich bezweifle es.

Aufgrund eines Bugs fehlt dem Startmenü die Farbe - Aero Blur ist allerdings vorhanden.. (Danke an jlnostr für den Screenshot)

Aufgrund eines Bugs fehlt dem Startmenü die Farbe – Aero Blur ist allerdings vorhanden. Dafür fehlt der komplette linke Bereich des Startmenüs (Danke an jlnostr für den Screenshot)

Auf meinem Tablet befindet sich inzwischen Windows 10 Build 10547, also der neueste Insider-Build. Dieser behebt bereits viele meiner angesprochenen Probleme. Das Startmenü „explodiert“ nicht mehr, Kacheln verschwinden nicht, Einträge werden nach der Deinstallation entfernt bzw. nach einer Installation hinzugefügt und so weiter. Im Rahmen des TH2-Updates (Threshold 2; Threshold war/ist der Codename für Windows 10), welches im November veröffentlicht werden soll, wird also offenbar alles besser. Und vielleicht wird man dann auch endlich die wirklich „finale“ Version von Windows 10 installieren können, wer weiß. Auf jeden Fall bestätigt der aktuelle Entwicklungsstand der neuesten Previews meine Vermutung, dass Microsoft lieber noch 2-3 Monate hätte warten sollen.

4 Kommentare

  1. Ich habe bisher erst Windows 10 auf meinem Lenovo Thinkpad 8 installiert und bisher auch das Gefühl, das W10 noch nicht ganz fertig ist. Bei mir hakelt es meist beim umschalten auf den Tabletmodus, wo öfters mal die Kacheln komplett fehlen.

  2. Ich persönlich kann diese Fehler nicht nachvollziehen. Bei keinem der drei Rechner, die ich auf Arbeit verwalte. Bei keinem Rechner von mir und auch der Laptop meiner besseren Hälfte läuft absolut fehlerfrei. Nur mein Hauptrechner Zuhause hat eine Neuinstallation durchgemacht (und läuft dadurch tatsächlich etwas besser), der Rest sind Upgrade-Rechner.

    Ich will auf keinen Fall leugnen, dass es diese Probleme gibt. Dazu höre ich auf Twitter und auch auf Facebook zu oft davon. Cortana funktioniert nicht (richtig), das Startmenü hat Probleme, zufällige Neustarts etc etc.

    Es war zu erwarten, dass das passiert. Eine neue Windows Version bedeutet immer auch, dass unzähligen verschiedene Konfigurationen von Rechnern auf einmal mit dem neu programmierten funktionieren müssen. Ich behaupte, dass Windows 10 auf dem Großteil der Rechner gut funktioniert, fehlerfrei funktioniert. Allerdings wären auch 51% aller Windows 10 Rechner bereits ein Großteil, was 49% mit Fehlern lassen würde. Ich bezweifle, dass es so viele sind.

    Dennoch bin ich zu 100% bei dir, wenn es um die Antwort auf die Frage geht, ob Windows 10 zu früh kam.
    Denn es kam definitiv zu früh. OneDrive? Noch nicht fertig. Messaging-App? Fehlt komplett. Feinschliff? Derzeit werden in aktuellen Builds noch Icons und Kontextmenüs überarbeitet. Man kann also davon ausgehen, dass es nicht im Ansatz optisch so aussieht, wie Microsoft sich das vorstellte. Edge? Könnte ohne Probleme als Alpha-Version durchgehen. Tablet-Mode? Reden wir nicht drüber.

    Windows 10 hätte im November kommen sollen. Es wäre fertig. Also so fertig wie ein System sein kann, was fortlaufend weiterentwickelt wird. Auf jeden Fall würde es deutlich besser auf den verschiedenen Rechnern laufen und es würde einem nicht so vorkommen, als hätte Microsoft die Hälfte vergessen.

    Wir wissen von der Xbox One, wie schnell neue Funktionen fertig werden können und in welchem Akkord Microsoft arbeiten kann (Monatliche große Feature-Updates). Allerdings kam die Xbox One gefühlt fertig auf den Markt, da war es nicht nötig, sondern nur eine nette Beigabe.

    Ich hoffe, dass Microsoft sich mit dem viel zu frühen Release nicht allzu viel kaputt gemacht hat. Denn ich mag Windows 10. Nutzt man nach einem Monat Windows 10 mal wieder Windows 8 oder gar Windows 7, fragt man sich wie man es so lange mit solch uralten Systemen ausgehalten hat. Aber gleichzeitig fragt man sich, was Microsoft sich dabei gedacht hat, Windows 10 zu früh raus zu geben.

  3. Ich lese den Artikel mit Erstaunen. Windows 10 läuft bei mir auf Desktop und Laptop rund (schnurrt wie ein Kätzchen). Auch in einschlägigen Tech-Podcasts und Blogs habe ich bisher wenig bis gar nichts gelesen, was gegen den Einsatz von Windows 10 spricht (mal abgesehen von den üblichen Artikeln („so schnüffelt Windows 10 dich aus“, „Microsoft will an deine Daten …“, etc.).
    Das Windows 10 mobile nicht fertig ist (und vermutlich nicht fertig wird) liest man dagegen allenthalben. Einen einheitlichen Release-Termin hätte ich persönlich glücklicher gefunden. Der 10.10. hat sich doch nahezu aufgedrängt. Aber das werden sich die Herren in Redmond schon gut überlegt haben (hoffe ich!).
    Wenn ich aber jetzt lese, dass Windows 10 bei einigen auch noch nicht dreht, bin gespannt, ob Microsoft das Ding noch wuppt …

    • Also bei mir läuft es schon rund, so schlecht ist Windows 10 ja nicht, eben bis auf die Kleinigkeit, was aber evtl. auch ein Treiberproblem sein könnte. Die fehlenden Features lasse ich hier mal unberrührt, was oben schon angesprochen wurde.